Wenn immer neue Aufgaben auf den Tisch kommen und die gewünschten Fertigstellungstermine näher rücken, sind kluge Fragen von großer Bedeutung. Die richtigen Fragen stellen zu können, ist eine wesentliche Kernkompetenz von Führungskräften in vielen Branchen. Kluge Fragen sind regelrecht eine Kunst.
Fragekompetenz ist ein Booster für Führungskräfte
Viele Führungskräfte haben die Bedeutung einer gewissen Neugier und der unbedingten Bereitschaft zum Zuhören als entscheidende Voraussetzung für klugen Fragen erkannt. „Question-Storming“, also Brainstorming für Fragen statt für Antworten, ist eine viel beachtete Kreativitätstechnik. Es geht nicht darum, viele Fragen zu stellen, in der Hoffnung, irgendwann auf die richtigen zu stoßen. Es geht um etwas anderes.
Die wirklich wichtigen Fragen, die Führungskräfte und Teams in Schwierigkeiten bringen können, sind oft diejenigen, die gar nicht gestellt werden. Aufgabe einer Führungskraft ist es, solche Fragen ans Licht zu bringen, die das Team vielleicht übersehen hat. Die Verantwortlichen müssen dies nicht grundsätzlich allein tun – alle Beteiligte können gute Fragen beisteuern – aber die Aufmerksamkeit auf evtl. vernachlässigte Bereiche lenken sollten sie schon.
Mit fünf Schlüsselfragen zum springenden Punkt
Es gibt fünf Fragentypen, mit denen Sie jeden Sachverhalt systematisch und gründlich analysieren können. Die Schlüsselfragen lassen sich klassifizieren als investigativ, spekulativ, produktiv, interpretierend und subjektiv.
(1) Investigativ: Was ist bekannt?
Beginnen Sie bei einer gegebenen Problemstellung mit der Klärung der Ziele und fragen Sie sich, was Sie und Ihr Team erreichen wollen. Dieser Prozess kann z. B. durch aufeinanderfolgende Warum-Fragen eingeleitet werden. Auch das wiederholte Fragen nach dem „Wie?“ kann helfen, über triviale Standardlösungen hinauszugehen.
Investigative Fragen dienen dem Zweck, immer tiefer zu graben bis die Informationen nicht mehr offensichtlich sind. Ein Fehler liegt darin, nicht tief genug zu gehen.
(2) Spekulativ: Was wäre wenn?
Während investigative Fragen dabei helfen, ein Problem in der Tiefe zu identifizieren und zu analysieren, sorgen spekulative Fragen für die Einordnung in einen größeren Rahmen, z. B. durch „Was wäre, wenn …?“.
Auch wenn eine Neuformulierung der Problemstellung notwendig werden sollte oder um kreative Lösungsalternativen zu finden, helfen spekulative Fragen, wie z. B. „Welche anderen Szenarien könnte es geben?“ oder „Könnten wir es anders angehen?“.
(3) Produktiv: Was nun?
Produktive Fragen helfen Ihnen bei der Beurteilung der erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der nötigen Ressourcen, wie z. B. „Wie können wir es schaffen?“, „Was ist der nächste Schritt?“ und „Verfügen wir über die nötigen Ressourcen?“.
Diese Fragen beeinflussen die Bearbeitungsgeschwindigkeit und die Entscheidungsfindung und helfen ebenfalls dabei, Schlüsselkennzahlen, Meilensteine und mögliche Engpässe zu ermitteln, wie z. B. mit „Wie messen wir den Fortschritt?“.
(4) Interpretierend: Was bedeutet das?
Interpretierende Fragen sind die natürliche Fortsetzung von investigativen, spekulativen und produktiven Fragen und dienen dazu, die jeweiligen Implikationen herauszuarbeiten. Nach einer investigativen Frage könnten Sie fragen „Was passiert, wenn dieser Trend anhält?“, nach einer spekulativen Frage „Welche Möglichkeiten ergeben sich aus dieser Idee?“ und nach einer produktiven Frage „Was bedeutet das für die weiteren Schritte?“.
Interpretierende Fragen können aber auch anders lauten: „Was haben wir daraus gelernt?“, „Inwiefern ist das nützlich?“, oder „Sind das die richtigen Fragen, die wir stellen sollten?“.
(5) Subjektiv: Was ist ungesagt?
Diese Kategorie unterscheidet sich von den vorangegangenen Fragentypen. Jetzt geht es um evtl. persönliche Vorbehalte, Spannungen und versteckte Absichten, die eine Entscheidungsfindung aus dem Ruder laufen lassen können. Hintergrund dafür ist die Erkenntnis, dass das Scheitern eines Vorhabens oft auf die fehlende Berücksichtigung des emotionalen Teils zurückgeht. Also fragen Sie z. B. „Wie denken Sie wirklich über diese Entscheidung?“ oder „Sind alle Beteiligten wirklich auf einer Linie?“
Diese Fragen sind bedeutend schwieriger, als sie erscheinen, denn Teammitglieder zögern möglicherweise, emotionale Themen anzusprechen, wenn sie nicht offen und ehrlich dazu ermutigt werden und wenn es keinen „sicheren Raum“ für Diskussionen gibt.
Fragekompetenz systematisch aufbauen
Diese wichtige Kernkompetenz von Führungskräften ist nicht Gott gegeben, sondern sie lässt sich systematisch aufbauen. Die folgenden Tipps dienen diesem Zweck.
(1) Den eigenen Fragenmix ausbalancieren
Ein ausgewogener Fragenmix liefert die besten Ergebnisse. Dahinter steckt die grundsätzliche Empfehlung, beim eigenen Fragenmix eine möglichst harmonische Mischung der o. g. fünf Fragenarten anzustreben und keinen Fragetyp übermäßig zu strapazieren oder auch ganz zu vernachlässigen.
(2) Eine Selbsteinschätzung des eigenen Fragestils vornehmen
Schon mit einer einfachen Selbsteinschätzung lassen sich Stärken und Schwächen ermitteln. Dann können Sie an Ihrem Fragenmix arbeiten.
Sie können Ihr Repertoire anpassen, Sie können z. B. für eine neue Aufgabe Ihre Schwerpunkte ändern und Sie können sich mit Menschen umgeben, die Ihre blinden Flecken ausgleichen.
(3) Das eigene Repertoire variieren
Nachdem Sie festgestellt haben, welche Arten von Fragen Sie am liebsten stellen und welche nicht, können Sie sie in ein besseres Gleichgewicht bringen. Sie können sich z. B. bei der nächsten Entscheidungsfindung alle fünf Fragenarten zur Anwendung bringen.
Sind bei Ihnen bestimmte Kategorien eher schwach ausgeprägt, können Sie diese gezielt üben, um z. B. mit eher ungewohnten Fragen Diskussionen zu öffnen. Möglicherweise müssen Sie auch einige Fragetypen über den Haufen werfen, die Ihnen in der Vergangenheit gute Dienste geleistet haben.
(4) Den Fragenmix bei neuer Rolle oder Aufgabe anpassen
Ihr Fragenmix ist nicht statisch. Wenn Sie z. B. eine neue Rolle übernehmen, in ein anderes Unternehmen oder eine andere Branche wechseln, benötigen Sie möglicherweise auch einen neuen Fragenmix. Bei jedem Arbeitsplatzwechsel stehen Sie vor der Herausforderung, sich anzupassen.
Der Fragenmix, der Ihnen bisher geholfen hat, könnte Sie jetzt in die Irre führen. Je mehr Verantwortung Sie übernehmen, desto komplexer und risikoreicher werden die Aufgaben. Bei einer neuen Rolle oder Aufgabe benötigen Sie einen Fragenmix, mit dem Sie gut lernen können.
(5) Nicht alles selber machen, auch andere geschickt einspannen
Sie müssen sich nicht alle Fragen selbst ausdenken. Die Teamleistung zählt. Motivieren Sie andere, in gleicher Weise mit den fünf Schlüsselfragen zu arbeiten. Als Führungskraft sind Sie dafür verantwortlich, die fehlenden Perspektiven aufzuzeigen. Dabei spielen Ihr eigener Führungsstil und Ihre Absichten eine zentrale Rolle spielen.
Und wie gehen Sie vor, wie sieht Ihr Fragenmix aus?
Wenn Sie sich einer Selbsteinschätzung unterziehen wollen, schicke ich Ihnen auf Wunsch gerne Testfragen zu den fünf Untersuchungsbereichen zu. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, sollte unbedingt den Artikel The Art of Asking Smarter Questions und das Buch Fragekompetenz für Führungskräfte mitnehmen.
Arbeiten Sie an den eigenen Stärken und Schwächen! So wird es wahrscheinlicher, dass Sie immer alle kritischen Bereiche abdecken. Das wiederum liefert Ihnen bessere Erkenntnisse und Handlungsoptionen, die Sie sonst vielleicht nicht auf dem Schirm hätten. Und plötzlich finden Sie sich in einer Entscheidungssituation auf einem ganz anderen Niveau wieder. Peng! Das nenne ich geschicktes und zugleich diplomatisches Vorgehen. Es ist nämlich gar nicht schwer, diplomatisch zu agieren und die richtigen Fragen zu stellen. Man muss es nur richtig anstellen.
Stellen Sie kluge Fragen!