Kennen Sie das? In Ihrem Projekt läuft einiges anders, als Sie es sich wünschen und Sie stehen kurz davor, aus der Haut zu fahren. Aber Sie zögern. Mit gutem Grund. Denn aus der Diplomatie stammt eine wichtige Leitlinie: „Diplomaten regen sich nicht auf; sie machen Notizen.“ Also bloß nicht aufregen!
Bloß nicht aufregen? Okay! Aber wofür die Notizen?
Traditionell orientierte sich auch die deutsche Diplomatie an Leitsätzen legendärer Vertreter ihres Fachs. „Listen, not talk“, empfahl etwa der 1. Earl of Malmesbury dem Diplomatennachwuchs. Charles_Maurice_de_Talleyrand, der Frankreich auf dem Wiener Kongress vertrat, formulierte ungefähr zur selben Zeit die Maxime: „Diplomaten regen sich nicht auf; sie machen Notizen.“ Unbedingt zu vermeiden sei Übereifer.
Doch diese Kultur diplomatischer Zurückhaltung wird spätestens seit dem Amtsantritt Annalena Baerbocks auf den Kopf gestellt: Hinterzimmer-Diplomatie soll Transparenz weichen, Reden steht höher im Kurs als Zuhören. Deutschlands Diplomaten sollen kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Es heißt, manche hielten sich an das Beispiel ihrer Ministerin und belehrten sogar andere. Kerngeschäft der Diplomatie bleibe es allerdings nach wie vor, auch Vertrauen mit schwierigen Partnern aufzubauen, weil man diese in Krisenfällen oftmals brauche.
Nicht anders in der Projektarbeit
Genau das ist auch mein Credo in der Projektarbeit – und dafür mache ich mir allerlei Notizen. Sicherlich ist es eine Frage des persönlichen Stils, wie man mit schwierigen Stakeholdern im Projekt umgeht. Aber ein Schlagabtausch bringt Ihnen vielleicht persönliche Genugtuung oder es erregt Aufsehen im Unternehmen, aber Ihr Projekt wird davon höchstwahrscheinlich nicht profitieren. Es erscheint also angebracht zu sein, nicht zu übertreiben.
„Was übertrieben ist, ist wertlos.“ Dieses Zitat stammt ebenfalls von dem französischen Staatsmann Talleyrand und drückt in diesem Kontext einmal mehr aus, wie wichtig eine entsprechende persönliche Haltung ist. Zum besseren Verständnis hilft vielleicht auch eine Interpretation von „Diplomatie, sich mit Fingerspitzen durchboxen“, wie es bei der Aphoristikerin Claudia Brefeld heißt.
Kern der daraus abgeleiteten Projekt-Diplomatie ist es, bei der Projektarbeit auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit schwierigen Stakeholdern aufzubauen. Denn alle Stakeholder sind auf ihre eigene Art und Weise wichtig für den Projekterfolg. Echte Größe bei der Projekt-Diplomatie kommt u. a. in einem erfolgreichen Stakeholder-Management zum Ausdruck.
Wenn ich mir dazu gerade keine Notizen mache, dann zeige ich anderen auf, wie man sich nicht aufregt und souverän bleibt. Und das funktioniert! Denn es ist gar nicht schwer, diplomatisch zu agieren. Man muss es nur richtig anstellen.
Regen Sie sich nicht auf und bleiben Sie souverän. Immer.