Risikokompetenz und Entscheidungsstärke

Risikokompetenz und Entscheidungsstärke

Jeder von uns hat im Laufe der Zeit einen ganz eigenen Umgang mit Risiken entwickelt und auf der so aufgebauten Risikokompetenz meistern wir unser gesamtes Leben. Aus dem Alltag von Führungskräften sind Risiken gar nicht wegzudenken. Wenn sie ihr Unternehmen, ihre Abteilung oder ihr Team erfolgreich führen und leiten wollen, müssen sie immer wieder Risiken eingehen. Dafür ist es wichtig, die eigene Risikokompetenz zu stärken. Denn intuitiv gehen Menschen mit Risiken in der Regel alles andere als klug um.

Wir brauchen Risikokompetenz!

Risikokompetenz setzt sich aus dem Gefahrenbewusstsein und der Fähigkeit zur Selbststeuerung zusammen. Durch das Gefahrenbewusstsein sind wir in der Lage, Gefahren wahrzunehmen bzw. zu erkennen und sie angemessen zu beurteilen. Durch die Selbststeuerung können wir individuell entscheiden, wie wir den Gefahren am sichersten begegnen und unser eigenes Handeln geeignet anpassen wollen.

Risikokompetenz Definition

Unter der Risikokompetenz ist also eine solche Kombination aus Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähigkeit zu verstehen, dass ein Mensch in einer bestimmten Situation das optimale Risiko auswählen und umsetzen kann.

Genau hier liegt der kritische Punkt: Unser Gefahrenbewusstsein und unsere Selbststeuerung müssen nämlich regelmäßig aufgefrischt werden. Sonst führen Sie zu seltsamen Ergebnissen und sind nicht mehr zu gebrauchen. Justierung und Kalibrierung sind regelmäßig nötig, z. B. durch Austausch mit anderen oder durch Reflexion. – Aber wie soll das funktionieren?

Risikokompetenz aufbauen

Gut: Intuition & Faustregeln

Intuition ist das Bauchgefühl, das für oder gegen eine Entscheidung spricht und vor allem dann zu guten Ergebnissen führt, wenn man mit den anstehenden Entscheidungen viel Erfahrung hat. Wenn man zum Beispiel schon oft über die wahrscheinliche Rentabilität von geplanten Projekten entschieden hat und die Pro- und Contra-Liste zu einem aktuellen Projekt dafür spricht, das eigene Bauchgefühl aber dagegen, dann sollte man sich auf sein Bauchgefühl verlassen und das Projekt verwerfen.

Auch Faustregeln oder Heuristiken, also einfache Formeln zum Handeln, können bei komplexen Entscheidungen zu guten Ergebnissen führen. Solche Heuristiken sind für Führungskräfte viel hilfreicher als gut gemeinte Empfehlungen, wie z. B. „Seien Sie authentisch“. Ein paar Beispiele:

  • Erst zuhören, dann entscheiden – Die gesammelten Informationen führen zu einer besseren Entscheidungsgrundlage.
  • Gute Leute für die Arbeit einsetzen – Wenn man auf die Fach- und Sozialkompetenz der Mitarbeiter achtet und Vereinbarungen trifft, kann man erfolgreich delegieren.
  • Sich auf wenige Informationen konzentrieren – Wenn man sich auf wenige Fakten beschränkt, kann man einfacher und schneller entscheiden.
  • Same procedure as last time – Meistens ist man gut beraten, so zu handeln wie bei der letzten erfolgreichen Entscheidung, also bisheriges, bewährtes Verhalten zu wiederholen.

Wer jetzt glaubt, dass eine Führungskraft mit Intuition und einer Handvoll Faustregeln bestens aufgestellt ist, der irrt. Denn selbstverständlich gibt es dabei nicht nur klare Grenzen, sondern auch zahlreiche z. T. schmerzhafte Gegenbeispiele. Deutlich besser, aber auch nicht unfehlbar ist die Anwendung des Risikokompetenzmodells.

Besser: Die eigene Risikokompetenz stärken

Noch wirkungsvoller als eine beiläufige Anwendung von Intuition und Heuristiken sind regelmäßige Zäsuren mit einer systematischen Stärkung der eigenen Risikokompetenz auf Basis des folgenden Modells. Dies kann sowohl individuell als auch in Gruppen, z. B. im Führungskreis geschehen.

Das Modell besagt zunächst, dass unsere Risikokompetenz aus dem Zusammenspiel von vier Komponenten erwächst, aus unserer Risikowahrnehmung, unserer Risikoakzeptanz, der Kombination aus Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie aus unserem Normverständnis. Während unsere Risikowahrnehmung und Risikoakzeptanz für unser Gefahrenbewusstsein verantwortlich ist, bestimmen die Kombination aus Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie unser Normverständnis unsere Selbststeuerungsfähigkeit.

  1. Bei der Risikowahrnehmung – gemeint ist die Wahrnehmung über unsere Sinne, wie z. B. durch Sehen, Hören, Riechen und Fühlen – gilt, dass Risiken auf ganz unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen werden. Was für den einen normal erscheint, wird von dem anderen bereits als riskant wahrgenommen. Abendliche Autofahrten im Straßenverkehr werden von manchen Menschen wegen der schlechten Sichtverhältnisse bei Dunkelheit als gefährlich wahrgenommen. Andere beschweren sich in derselben Situation über eine übervorsichtige Fahrweise.
  2. Selbst bei identischer Wahrnehmung eines Risikos oder einer Gefahrensituation sind unterschiedliche Beurteilungen oder Bewertungen zu erwarten. Denn jeder Mensch hat eine andere Akzeptanzschwelle. Der Stuntman springt bei einer Filmproduktion dort ein, wo der Hauptdarsteller das Drehen einer gefährlichen Filmszene ablehnt.
  3. Unser Verhalten ist abhängig von unserem Wissen sowie von unseren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Tendenziell lässt sich sagen, dass profundes Wissen und ausgeprägte Fähigkeiten und Fertigkeiten einen positiven Einfluss auf unsere Risikokompetenz haben. Aus diesem Grund sind für den Umgang mit Gefahrstoffen personenbezogene Schulungen und unternehmensseitige Vorkehrungen vorgeschrieben.
  4. Schließlich spielt es für unsere Risikokompetenz eine große Rolle, wie wir Normen auslegen und interpretieren. Denn unser Verständnis dieser Normen beeinflusst unser Verhalten. Wegen der Allgemeingültigkeit sei ein weiteres Beispiel aus dem Straßenverkehr genannt, nämlich die Geschwindigkeitsbegrenzung in einer Zone 30 und die höchst unterschiedliche “Interpretation” durch die Verkehrsteilnehmer.

Bei den aufgeführten Beispielen sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich um ganz normale Situationen ohne Zwänge und ohne “Störungen” handelt. Sie zeigen anschaulich, wie unterschiedlich die vier Bausteine des Risikokompetenzmodells ausfallen können. Doch unser alltägliches Berufsleben schreibt noch viel schönere Anwendungsfälle.

Die Besonderheit des Modells liegt darin, dass es einen universellen Charakter hat und nicht nur in bestimmten Branchen, wie z. B. in der Energiewirtschaft, oder in bestimmten Arbeitsbereichen, wie z. B. bei der Arbeitssicherheit, zur Anwendung kommt, Selbstverständlich sollten auch größere Investitions- und Projektentscheidungen sowie Restrukturierungen und Maßnahmen der Organisationsentwicklung in analoger Weise betrachtet werden.

Die beste Art, um sich eine gestärkte Risikokompetenz für bessere Entscheidungen zunutze zu machen, ist nicht das Einzelstudium, sondern die Gruppenerfahrung, z. B. bei einem Führungskräfte-Workshop. Ebenfalls sei erwähnt, dass ein solcher Workshop nur der erste Schritt sein kann. Die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Risikomaßnahmen folgen erst – allerdings dann auf einem qualitativ hochwertigen Niveau mit tendenziell schönen Aussichten.

Schlussfolgerung

Jede Führungskraft muss für sich entscheiden, wie sie mit Risiken umgeht und welche Hilfsmittel den Entscheidungsprozess bereichern. Fest steht: Wir brauchen [mehr] Risikokompetenz.

In den meisten Situationen entscheiden wir intuitiv bzw. nehmen die eine oder andere Heuristik zur Hilfe. Das geschieht nahezu unbemerkt und ist vollkommen in Ordnung. Anders verhält es sich bei Entscheidungen mit größerer Tragweite. Wenn viel auf dem Spiel steht, ist es sehr nützlich, auf eine starke Risikokompetenz zurückgreifen zu können. Denn damit wächst die Qualität des Entscheidungsprozesses und Führungskräfte können so ihre Entscheidungen verbessern. Der Stellenwert von Risikokompetenz ist so groß, dass kaum ein Programm zur Führungskräfteentwicklung ohne entsprechende Bausteine auskommt.

Ich empfehle dazu einen Impulsworkshop im Führungskreis. Details gerne auf Nachfrage.

Entscheiden Sie mit einer starken Risikokompetenz klüger!