Leichte Gebrauchsspuren – agiles Arbeiten

Leichte Gebrauchsspuren – agiles Arbeiten

Manchmal nutzen sich Wörter durch übermäßigen Gebrauch ab und sind dann nicht mehr so schön anzusehen bzw. anzuhören. Die Bedeutung der Wörter leidet darunter, doch ihr Wert bleibt meistens unverändert hoch und die Freude an ihnen ungetrübt.

Das gilt auch für “Agilität”. Viele unter uns können es nicht mehr hören, die Verbreitung des Begriffs scheint inflationär und kein Bezug zu abwegig, um Agilität nicht irgendwie zu instrumentalisieren.

Für mich bedeutet agiles Arbeiten mehr als nur eine persönliche Neigung für einen momentanen Trend. Diese Arbeitsform gehört zu den unverzichtbaren Methoden und Werkzeugen in Unternehmen aller Branchen. Es handelt sich hier gleichzeitig um

  • Lösungsansatz für Projekte, in denen klassische Verfahren scheitern,
  • Anforderung für die meisten Führungskräfte,
  • Vehikel für die Personal- & Organisationsentwicklung und
  • Baustein einer modernen Unternehmenskultur.

Was ist damit gemeint?

Agiles Projektmanagement

Dieser Punkt ist naheliegend, denn agile Ansätze kommen über das agile Projektmanagement und die bedeutendste agile Methode “Scrum” zu uns. Längst ist klar, dass agile Techniken und Methoden für vielen Projektaufgaben einfach besser geeignet sind als das klassische Vorgehen. Besonders bei offenen Aufgabenstellungen, die zu Projektbeginn noch nicht vollkommen klar, ist die agile Systematik unschlagbar.

Doch es kommt noch besser. Mittlerweile leisten agile Ansätze nicht nur in Projekten wertvolle Dienste, sondern auch das reguläre Tagesgeschäft profitiert maßgeblich davon. Die Errungenschaften aus dem agilen Projektmanagement haben sich längst über agile Techniken wie z. B. “Daily Stand-up meetings” oder “Task Boards” weit in das Tagegeschäft ausgedehnt.

Führungskräfte-Anforderung

Die Anforderungen an unsere Arbeitsprozesse haben sich geändert. Es gelten demgemäß auch andere Anforderungen an Führung. Langjährige Führungskräfte stehen vor der Notwendigkeit, sich auf neue Bedingungen einzustellen und auf die Erwartungen Ihrer Mitarbeiter zu reagieren. Von Nachwuchsführungskräften und Quereinsteigern werden ohnehin immer stärker moderne Arbeitsweisen in den Arbeitsalltag eingebracht und als Führungsanforderung verstanden.

Wenn Führungskräfte in ihrer Abteilung Mitarbeiter haben, die in agilen Teams eingespannt sind, dann benötigen diese Führungkräfte auch zumindest ein Grundverständnis für die besonderen Anforderungen beim agilen Arbeiten. Zahlreiche Unternehmen bieten deshalb speziellen Schulungen für die Zielgruppe der Führungskräfte an.

Sind agile Techniken in bestimmten Organisationseinheiten eines Unternehmens bereits etabliert, in anderen Einheiten jedoch nicht, dann entsteht häufig der Wunsch nach einer geeigneten Plattform für den übergeordneten Austausch der Führungskräfte.

Keine Führungskraft kommt an agilen Techniken vorbei.

Personal- und Organisationsentwicklung

Personalentwicklung umfasst per Definition die auf die Bedarfe der Organisation abgestimmte berufseinführende, berufsbegleitende und arbeitsplatznahe Aus- und Weiterbildung des Personals sowie die Ableitung geeigneter Maßnahmen und Strategien aus den Unternehmenszielen, die eine Qualifizierung des Personals zum Ziel haben.

Aus den Weiterbildungsprogrammen der Unternehmen und der Seminaranbieter sind Schulungen zu agilen Techniken und Methoden nicht mehr wegzudenken. Dabei sind gerade Aspekte der Organisationsentwicklung und die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen des Unternehmens, z. B. in Form der o. g. Führungkräfte-Schulungen zu berücksichtigen. Allgemein bezeichnet die Organisationsentwicklung ein organisationstheoretisches Konzept, um geplanten sozialen Wandel in Organisationen umzusetzen.

Wenn Unternehmen Ihre Belegschaft durch Transformationsprozesse führen wollen, wenn geplante Veränderungen im Rahmen einer Interventionsstrategie mit gruppendynamischen Prozessen herbeitgeführt werden sollen, dann dürfen Informations- und Schulungsbausteine mit agilen Techniken nicht fehlen.

Moderne Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur beschreibt die Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, Handlungen und das Verhalten der Mitglieder einer Organisation prägen. Im Zeitalter der digitalen Transformation erleben viele Unternehmen einen Wandel, der auch vor ihrer Unternehmenskultur nicht anhält. Mitarbeiter fordern Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen ein, wie z. B. Selbständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft, flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit des Home-Offices und neue Arbeitsformen, wie z. B. agiles Arbeiten. Diese Anforderungen stellen die internen Prozesse und Handlungsabläufe auf die Probe und haben oft tiefgreifende, strukturelle Veränderungen zur Folge.

Die Unternehmenskultur beeinflusst nicht nur das Wohlbefinden der einzelnen Mitarbeiter, sondern kann auch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens maßgeblich verbessern. Zum einen fördert ein gutes Arbeitsklima die Produktivität, zum anderen minimiert eine erfolgreiche Bindung an das Unternehmen die Kosten für Recruiting und Onboarding. Es ist daher lohnenswert, die Unternehmenskultur aktiv zu gestalten.

Zugegeben, es dauert eine gewisse Zeit, bis sich neue Entwicklungen in der Unternehmenskultur niederschlagen. Doch wenn diese Neuerungen positive Effekte herbeiführen und wenn sie gewollt sind, dann lohnt sich der Aufwand für die aktive Gestaltung der Unternehmenskultur. Agiles Arbeiten leistet allein schon einen positiven Beitrag für die Unternehmenskultur, weil die Zusammenarbeit gefördert wird und die Kommunikation einen höheren Stellenwert erhält.

Begeisterung aus Überzeugung

Bei aller Begeisterung für agiles Arbeiten muss selbstverständlich auch darauf hinwiesen werden, dass es ernst zu nehmende Risiken geben kann.

  • Das Machtrisiko – Trotz aller Agilität bleiben Hierarchien bestehen, keine Führungskraft gibt freiwillig Macht und Privilegien ab und letztendlich muss jemand verantworlich sein.
  • Das Flexibilitätsrisiko – Nur eine stabile Grundorganisation ermöglicht es Unternehmen, in gewissen Bereichen schnell und flexibel zu reagieren, in denen es auch notwendig ist.
  • Das Generationenrisiko – Jüngere Mitarbeiter sind i. d. R. agiler als ältere, verlassen das Unternehmen aber auch schneller, wenn ihnen etwas nicht passt.
  • Das Konfliktrisiko – Agiles Arbeiten birgt immer auch Konfliktpotenzial und Mitarbeiter sind genauso zwischenmenschlichen Spannungen ausgesetzt.
  • Das Führungsrisiko – Führungskräfte können mit sich selbst organisierenen Teams ähnlich überfordert sein wie so manches Teammitglied.

Diese und andere Risiken gilt es kontinuierlich im Auge zu behalten und bei auftretenden Problemen geschickt zu handeln. Die aufgezeigten Risiken schmälern die Bedeutung des agilen Arbeitens allerdings nicht. Für die persönliche Meinungsbildung zum Nutzen agiler Ansätze empfehle ich Ihnen eher unkonventionell die folgenden Fragestellungen:

  • Versteht jeder Mitarbeiter die Zielrichtung, in die unser Unternehmen steuert?
  • Werden unsere Mitarbeiter für eine erfolgreiche Zukunft befähigt?
  • Ermutigen wir unsere Mitarbeiter, sich immer wieder aufs Neue engagiert einzubringen?

Aus der Beantwortung dieser Fragen wächst bei mir die Überzeugung, dass agile Ansätze einen unternehmensstrategischen Wert haben. Heben wir gemeinsam diesen Wert mit vereinten Kräften!