„Ich kann es nicht mehr hören“, denkt sich der Abteilungsleiter. Schon seit mehreren Tagen hört er, dass die Zusammenarbeit zwischen zwei Kolleginnen nicht gut funktioniert. Immer wieder sind dieselben Anschuldigungen zu hören. Scheinbar arbeiten die beiden aneinander vorbei oder wollen zumindest die Anforderungen der anderen nicht gehört haben. Als ärgerlich wird von beiden Seiten empfunden, dass die Arbeit manchmal liegen bleibt oder nicht richtig erledigt werden kann. Irgendwie dreht sich auch die Diskussion im Kreis. So kann es auf jeden Fall nicht weitergehen. Jetzt muss sich die Führungskraft einschalten. Ein Konfliktgespräch steht auf dem Tagesplan. Das kann doch nicht so schwer sein!
Es geht im obigen Beispiel um Kommunikation. Richtig ist, dass über dieses Thema viel gesprochen und geschrieben wird. Genauso richtig ist allerdings, dass Sprachlosigkeit, Mutlosigkeit und falsche Zurückhaltung an der Tagesordnung sind. Wenn wir andere überzeugen oder Missverständnisse vermeiden wollen, ist eine klare Botschaft in unseren Worten und Sätzen ausschlaggebend. Egal „was“ wir sagen, es kommt immer zusätzlich darauf an, „wie“ wir es sagen. Aber wollen wir die Botschaft denn hören?
Klartext – eine besondere Fremdsprache
Warum fällt es uns manchmal so schwer zu sagen, was wir eigentlich denken? Warum fällt es uns manchmal so schwer zu verstehen, was uns andere sagen wollen? Wollen wir überhaupt Klartext sprechen oder hören?
Wir wollen nicht angelogen werden und das Gefühl hintergangen worden zu sein, ist nie prickelnd. Wir wissen natürlich, dass uns konstruktive Kritik weiterbringt. Trotzdem gibt es wohl kaum eine Person, die gerne kritisiert wird. Doch dann gibt es wiederum Situationen, da kommt eine Person, stellt sich hin und redet eben mal Klartext. Sie macht eine klare Ansage, nimmt eine bestimmte Position ein und steht auch konsequent dahinter. Auf der einen Seite bewundern wir Menschen, die Klartext reden und die sich nicht vor Konflikten fürchten. Sie sind ehrlich und sie bewegen etwas. Auf der anderen Seite stempeln wir diese selbstbewussten Persönlichkeiten aber auch schnell ab: „Mensch, der hat aber ein Ego“ oder „die muss auch immer ihren Senf dazugeben“.
Warum lohnt sich Klartext?
Weichen wir dem Unangenehmen nur aus, dann überlassen wir unserem Leben gänzlich dem Schicksal. Schwimmst Du nur mit, drehst Dein Fähnchen immer schön mit dem Wind, dann verlierst Du die Kontrolle. Die Vermeidungstaktik befördert Dich ganz schnell in eine Abwärtsspirale und auf Dauer in die Mittelmäßigkeit. Wer nicht Klartext spricht, wird schnell missverstanden. Wer erst gar nichts sagt, wird auch überhaupt nicht verstanden. Es ist manchmal nicht leicht auf den Punkt zu kommen, aber würden wir es alle öfter tun, wäre das Leben ein ganzes Stück unkomplizierter. Wer den Regenbogen will, muss den Regen in Kauf nehmen.
Kommunikation. Das kann doch nicht so schwer sein! Aber die Lösung kann auch nicht darin bestehen, passiv zu bleiben und die Dinge einfach so laufen zu lassen.
Bitte keine Sandwich-Kritik!
„Man nehme“: Verpacken Sie eine Scheibe Kritik zwischen zwei Scheiben Lob und schon ist die ganze Sache viel leichter zu verdauen. – So bitte nicht! Wem es schwerfällt, klare Worte zu finden und eine andere Person auch mal zu kritisieren, dann kommt es häufig zur dieser Taktik. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine wirklich gute Lösung. Denn Sandwich-Kritik hinterlässt einen schalen Beigeschmack beim Gegenüber und es droht die Gefahr, dass weder das Lob noch die Kritik wirklich ernst genommen wird. Manche Dinge sollte man eben nicht zwischen zwei Brote packen.
Sich ganz raushalten? Bitte auch nicht!
Denken Sie z. B. an Abteilungsmeetings, Projektbesprechungen oder andere Präsenzveranstaltungen mit langen oder langweiligen Redebeiträgen. Ist es eine kluge Angelegenheit, die jeweilige Person direkt anzusprechen? Wahrscheinlich ja, die richtigen Worte zu finden, erfordert allerdings Fingerspitzengefühl. Die angesprochene Person erhält auf diese Weise die Chance, auf die Anregung zu reagieren und den eigenen Beitrag anders fortzusetzen.
Denken Sie jetzt an eine Online-Veranstaltung mit demselben Problem. Um die „vergeudete Zeit“ besser zu nutzen, kann man, wie praktisch, parallel etwas anderes erledigen und dabei evtl. sogar den Bildschirm ausschalten. Ist es ratsam, bei einer Online-Veranstaltung auf die Problematik aufmerksam zu machen? Wahrscheinlich ja, es ist durchaus möglich, dass andere Teilnehmer denselben Eindruck haben, doch auch dieses Vorgehen erfordert Fingerspitzengefühl. Die angesprochene Person erhält auch in dieser Situation die Chance, z. B. ein allgemeines Meinungsbild einzuholen und das eigene Verhalten ggf. anzupassen.
Finden Sie die richtigen Worte und reden Sie Klartext!
Sich einfach nur zu beklagen, dass gute Kommunikation doch nicht so schwer sein kann, reicht nicht aus. Jeder und jede Einzelne muss dazu beitragen. Es ist kein Thema des Abteilungsleiters, der Projektleiterin oder einer sonstigen Führungskraft. Aber selbstverständlich kommt Führungskräften vor dem Hintergrund der Vorbildfunktion eine besondere Verantwortung für gute Kommunikation zu.
Die Angelegenheit ist nicht trivial. Aus meiner Beratungs- und Projektpraxis weiß ich, dass neben den naheliegenden, individuellen Charaktereigenschaften der beteiligten Personen auch in der Organisationskultur nicht zu unterschätzende Einflussfaktoren liegen. Für beide Bereiche existiert eine Vielzahl guter Tipps und mit diesen Hilfestellungen kommt man auf jeden Fall schon einen großen Schritt weiter.
Ganz egal, ob es sich dabei um einen Appell für das eigene Kommunikationsverhalten handelt oder zunächst erst um eine Selbsterkenntnis, für mich bleibt am Ende das Fazit, dass man aktiv sein muss und die Dinge nicht einfach laufen lassen darf.
Was geht Ihnen bei der Kommunikation gegen den Strich?