Die Organisationskultur steht inzwischen ganz oben auf der Agenda vieler Führungskräfte – teilweise sogar weiter oben als die Unternehmensstrategie – und das zu Recht. Denn mit einer starken Organisationskultur wird auch die Organisation stärker und besser.
- Ein gutes Arbeitsklima sorgt dafür, dass Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen und sich in besonderem Maße für die gemeinsamen Ziele des Unternehmens engagieren.
- Ist die Kommunikation im täglichen Miteinander konstruktiv, ehrlich und direkt, erhöht dies die Effizienz bei der Arbeit.
- Basieren strategische Entscheidungen auf gemeinsamen Werten, fällt es Verantwortlichen leichter, diese der Belegschaft plausibel zu machen und Beschäftigte tragen Beschlüsse eher mit, wenn sie nachvollziehbar auf den Werten beruhen.
- Eine positive Arbeitsatmosphäre sorgt auch für eine positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und steigert die Attraktivität als Arbeitgeber.
Es lohnt sich also aus verschiedenen Gründen, sich genauer mit der Organisationskultur zu beschäftigen. Neben den genannten qualitativen Faktoren steigert eine starke Organisationskultur auch die Produktivität eines Unternehmens und wirkt sich also auf das operative Ergebnis aus allerdings, ohne dass sich Zusammenhänge einfach messen lassen.
Bei einer sogenannten Hochzuverlässigkeitsorganisation HRO findet man systematische Bestrebungen, die Organisationskultur zu stärken, z. B. über das Prinzip „Respekt vor fachlichen Wissen und Können“.
Viele Dinge sind nicht vor dem Hintergrund veröffentlichter Führungsleitlinien oder klarer Dienstanweisungen zu verstehen, sondern sie spielen sich auf der Grundlage ungeschriebener Regeln ab, die einen bedeutsamen Bestandteil der Unternehmenskultur darstellen. Durch mangelnde Kenntnis mancher ungeschriebenen Regeln können Projekterfolge verhindert oder ggf. nur durch einen erhöhten Projektaufwand erzielt werden.
Drei Ebenen der Organisationskultur nach Edgar Schein
Wenn Sie die Organisationskultur verändern und stärken wollen, ist es zunächst wichtig, die vorherrschende Kultur überhaupt zu verstehen. Dafür liefert das Drei-Ebenen-Modell des US-amerikanischen Organisationspsychologen Edgar Schein aus dem Jahr 1985 einen passenden Rahmen. Schein definiert Organisationskultur in „Organizational Culture and Leadership. A Dynamic View“ (San Fransico, 1985) wie folgt:
„Ein Muster grundlegender Annahmen – erfunden, entdeckt oder entwickelt von einer vorgegebenen Gruppe, während diese lernt mit den Problemen der externen Adaption und internen Integration umzugehen – die gut genug funktionierten, um als gültig angesehen zu werden, und die deshalb neuen Mitgliedern vermittelt werden als richtige Methode der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens bezüglich dieser Probleme.“
Gegenstand dieses Beitrags ist es, die Bedeutung der unterschiedlichen Ebenen nach Schein deutlich zu machen und Möglichkeiten für eine Stärkung der Organisationskultur aufzuzeigen.
Ebene 1 – Artefakte
An der Oberfläche liegen die sichtbaren Verhaltensweisen und andere physische Manifestationen, Artefakte und Erzeugnisse. Es sind die direkt sichtbaren Symbole und Zeichen, die eine Organisationskultur abbilden und ausdrücken, wie z. B.
- das Firmengebäude und seine Architektur,
- Büroeinrichtungen,
- die Kleidung der Beschäftigten,
- Türschilder und Titelbezeichnungen,
- das Logo und die Corporate Identity einer Organisation,
- Auszeichnungen,
- Kommunikationsverhalten mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten,
- Firmenwagen und Parkplätze,
- das Bürolayout,
- verwendete Technologie und
- das Unternehmensleitbild.
Zu den Artefakten gehören aber auch symbolische Akte der Mitglieder, wie z. B. gegenseitige Ansprache (Sie/Du), Rituale wie der gemeinsame Gang in die Kantine und Legenden oder Geschichten, die immer wieder erzählt werden.
Ebene 2 – Werte und Normen
Die Werte einer Organisation oder des Unternehmens sind oft in Form von Visionen, Leitbildern oder Strategien formuliert. Anders ausgedrückt: Die Werte zeigen sich in der Unternehmenspolitik, wenn sich das Unternehmen z. B. als Global Player, Innovationsführer, Trendsetter oder Traditionsunternehmen versteht. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Schlagworte mittragen und in ihren Entscheidungen und Handlungen umsetzen, prägen sie die Werte der Organisationskultur.
Nach innen beeinflussen die Werte auch die Einstellung in der Organisation zu Leistung, Innovation und Service. Oft zeigen sich Werte auch in Glaubenssätzen, die die Beschäftigten gelegentlich äußern, wie z. B.:
- „Ohne Fleiß kein Preis.“
- „Das haben wir noch nie so gemacht.“
- „Ohne Zahlen keine Entscheidung.“
- „Entscheidend ist, was am Ende rauskommt.“
Wenn die Mitarbeiter ihre Handlungen und Äußerungen so vermitteln, zeigt dies ebenfalls indirekt das Wertemuster der Organisation. Die Werte legen fest, was von den Unternehmensmitgliedern als richtig und was als falsch angesehen wird. Ursprünglich handelt es sich hierbei um Lösungen von einzelnen Personen für bestimmte Probleme. Wenn sich solche Reaktionsmuster in vielen Fällen bewähren, werden sie allmählich zu Gemeingut und damit zu Werten des Unternehmens.
Ebene 3 – Grundannahmen
Auf der tiefsten Ebene sind die Dinge, die als selbstverständlich angenommen werden für die Art und Weise, wie man auf die Umwelt reagiert. Diese Grundannahmen werden nicht mehr hinterfragt oder diskutiert, weil sie sehr tief im Denken verwurzelt sind und eher unbewusst wahrgenommen werden. Sie drücken z. B. die Annahmen zu folgenden Sachverhalten aus:
- Was ist Wahrheit?
- Welchen Stellenwert haben Einzelne?
- Wie gehen wir miteinander um?
- Wie sollen wir uns in bestimmten Situationen verhalten?
Die zugehörigen Einstellungen und Verhaltensweisen haben sich in der Organisation über eine lange Zeit bewährt. Sie werden von den anderen Organisationsmitgliedern positiv sanktioniert, obwohl sie von den Beschäftigten selbst meist nicht erklärt werden können. Eine besondere Bedeutung für die Grundannahmen der Organisationskultur haben Vorgesetzte und Führungskräfte. Sie leben die Kultur vor und sind selbst Vorbild – in positiver und negativer Hinsicht.
Die Organisationskultur stärken
Das Drei-Ebenen-Modell nach Schein ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der Ebenen und spezifische Maßnahmen, mit denen Sie auf die Organisationskultur einwirken können.
Ebene 1: Artefakte sichtbar machen
Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass Eingriffe bei den Artefakten eine gute Möglichkeit sind, auch Werte und Grundannahmen zu beeinflussen und zu ändern. Gerade hier ist ein Ansatzpunkt für Veränderungsmanagement, das auf die Kultur abzielt. Eine neue Architektur mit offenen Büros, die Abschaffung veralteter Titel usw. können eine neue Organisationskultur unterstreichen, die auf Offenheit, Transparenz, Kommunikation und Kooperation setzt.
Stellen Sie dafür zunächst zusammen, welche Beispiele für Artefakte Sie in Ihrer Organisation kennen. Dabei können Ihnen die folgenden Fragen helfen:
- Welche sind besonders auffällig?
- Was kennzeichnet Ihrer Meinung nach besonders gut die Kultur Ihrer Organisation?
- Wie charakterisieren Sie diese Artefakte?
Haben Sie die entsprechenden Artefakte identifiziert, können Sie in einem zweiten Schritt überlegen, wie sich gewünschte Ausprägungen verstärken und andere Ausprägungen abschwächen lassen. Wenn die Veränderung der Artefakte gut umgesetzt wird, können diese Maßnahmen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar eine Reflexion der tiefer liegenden Werte und Grundannahmen nach sich ziehen und – von den Artefakten beeinflusst – ebenfalls verändern.
Ebene 2: Werte sichtbar machen
Analysieren Sie die Leitbilder, Strategien und Ziele Ihrer Organisation. Sie können dazu sowohl schriftliche Formulierungen mit einem entsprechenden Stellenwert im Unternehmen heranziehen, als auch mündliche Äußerungen mit einem Bezug zu den Werten in Ihrem Unternehmen:
- Welche Werte kommen in wichtigen Dokumenten zum Ausdruck?
- In welchen Begriffen und Formulierungen zeigen sich diese Werte?
- Welche Glaubenssätze werden in den Äußerungen Ihrer Mitarbeiter laut?
Auch bei den Werten lassen sich in einem zweiten Schritt konkrete Überlegungen zur Verstärkung oder Hinführung zum gewünschten Ziel anstellen.
Ebene 3: Grundannahmen sichtbar machen
Auf der dritten Ebene ist es am schwierigsten, weil Grundannahmen nicht direkt sichtbar bzw. erkennbar sind. Versuchen Sie daher, einige der Grundannahmen aus Ihrer Organisation sichtbar zu machen, indem Sie sich folgende Fragen stellen:
- Wie gehen wir miteinander um?
- Wie kommunizieren wir miteinander?
- Wer gilt als erfolgreich?
- Wofür stehen die Führungskräfte in besonderer Weise?
- Wer hat welchen Einfluss und warum?
Diese Fragen schaffen zumindest ein ungefähres Verständnis der Grundannahmen und können als Orientierungshilfe dienen. Doch niemals lassen sich die Grundannahmen in ihrer Tragweite vollständig sichtbar machen.
Als besonders hilfreich im Zusammenhang mit der Stärkung der Organisationskultur erweisen sich Maßnahmen, wie z. B. die Weiterbildung der Mitarbeiter, insb. der Führungskräfte, und eine Anpassung des Anreiz- und Belohnungssystems. Doch sei davor gewarnt, Musterlösungen aus einem Lehrbuch anwenden zu wollen. Denn die eigene Situation ist immer speziell und in jedem Fall ist es lohnenswert, zunächst ein genaues Bild der Ist-Situation und des Soll-Zustands zu haben oder zumindest eine Selbsteinschätzung vorzunehmen.
Stärken Sie die Organisationskultur, indem Sie sich mit allen drei Ebenen beschäftigen!
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Beim nächsten Beitrag in der Reihe „Methoden sind Türen zum Erfolg“ geht es um die Getting-Things-Done-Methode.