Respekt vor fachlichem Wissen und Können

Respekt vor fachlichem Wissen und Können

Als Führungskraft gibt es zahlreiche Gründe, sich mit einer HRO zu beschäftigen. HRO steht für High Reliability Organisation oder auf Deutsch Hochzuverlässigkeitsorganisation. Für das heute betrachtete Prinzip leisten Sie z. B. einen guten Beitrag, wenn Sie als Führungskraft zur Weiterleitung wichtiger Fakten und relevanter Beobachtungen auffordern und wenn Sie als Mitarbeiterin oder als Mitarbeiter mutig sind und auch schon einmal widersprechen, falls erforderlich.

Was wir von einer HRO lernen können

Was wir von einer HRO – genauer gesagt von den fünf Prinzipien einer HRO lernen können, finden Sie in Kurzform hier und in den zurückliegenden Beiträgen sind die folgenden vier Prinzipien schon behandelt worden:

  • Konzentration auf Fehler“ kann man so zusammenfassen: Man muss Fehler und die damit verbundenen Chancen für eine Weiterentwicklung nicht nur richtig begreifen, sondern diese Fehler tatsächlich auch zum Gegenstand von Verbesserungen machen.
  • Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen“ bedeutet z. B., sich kategorisch zu weigern, einfache Lösungen und schnelle Schlussfolgerungen zu wählen, sondern auf der Basis von Fakten sauber schlusszufolgern.
  • Sensibilität für betriebliche Abläufe“ ermuntert uns dazu, schon kleinen Abstimmungen vom Normalzustand Aufmerksamkeit zu schenken. Wer kleine Signale als Vorzeichen wahrnimmt, kann größere Probleme rechtzeitig erkennen und Krisen verhindern.
  • Streben nach Flexibilität“ ermöglicht es, durch eine gezielte Redundanz negative Vorkommnisse abzufedern und in einen Vorteil zu verwandeln. Es geht dabei nicht um einen teuren doppelten Boden, sondern um den Wert des scheinbar Überflüssigen durch gezielte Redundanz.

In diesem fünften und letzten Teil der Reihe geht es um das folgende Prinzip:

Respekt vor fachlichem Wissen und Können

Ein herausstechendes Merkmal einer HRO ist ihre Hochachtung vor fachlichem Wissen und Können in der Organisation. Es geht also um den Respekt vor fachlichem Wissen und Können der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Denn durch gewonnene, unterschiedliche Perspektiven lässt sich die Wahrnehmungsfähigkeit in komplexen Situationen erhöhen und die wahrgenommene Komplexität lässt sich wiederum konstruktiver nutzen.

Niemand weiß alles. In Zeiten rasanter Veränderungen gilt das mehr denn je. Eine immer deutlichere Empfehlungen lautet deshalb, die Organisationskultur und das Rollenverständnis der Führungskräfte diesen Bedingungen anzupassen. Relevante Stichworte sind agile Führung und agiles Arbeiten.

Wichtige Fakten und relevante Beobachtungen nicht unerwähnt lassen

Es geht nicht um Widerworte. Tatsache ist allerdings, dass zahlreiche Entwicklungen einen negativen Verlauf nehmen, weil wichtige Fakten oder relevante Beobachtungen nicht bis zu den Verantwortlichen bzw. bis zu den Entscheidern durchdringen. Dies lässt sich aber nicht durch Anweisung anordnen. Gutes Feedback ist wichtig. Doch auch wer um Feedback bittet, erfährt evtl. nur etwas über die Vergangenheit. Man muss schon einen Schritt weitergehen und um einen Rat bitten. Dann erhält man vielleicht einen Hinweis auf Basis von Fakten oder relevanten Beobachtungen. Ein weiteres Mittel ist Wertschätzung, die sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig erweisen und die sich auch in Vereinbarungen festlegen lassen. Diese Wertschätzung ermöglicht es z. B., bei einer Kollegin gezielt nach relevanten Hinweisen zu fragen oder einen Kollegen direkt über einen besonderen Umstand zu informieren.

Insgesamt sind zur Umsetzung dieses Prinzips eine Reihe von Anpassungen in der Organisationskultur und beim Rollenverständnis der Führungskräfte erforderlich. Eine wichtige Rolle spielen dabei u. a. Prozessaufnahmen. Doch auch dieses Feld kann tückisch sein, denn es drohen einige Falschannahmen. Trotzdem führt allein wegen des Organisations- und des Steuerungsaspekts kein Weg an einem unterstützenden Prozessmanagement vorbei. Je nach den bereits erreichten Ergebnissen sind nur noch wenige Vorbereitungen nötig und die Grundlagen für deutliche Verbesserungen der Produktivität sind gelegt. Denn darum geht es u. a. beim fünften Prinzip einer HRO.

Ist dieser entscheidende Schritt erreicht und werden wichtige Fakten bzw. relevante Beobachtungen an die Verantwortlichen weitergeleitet, dann sollte man sich dieses Fortschritts bewusst sein. Wenn die Weiterleitung dann auch noch zeitnah und mit Fingerspitzengefühl erfolgt, sodass „richtig“ entschieden werden kann, dann sind offensichtlich wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Werk.

Glückwunsch, wenn Sie schon in diesen Genuss gekommen sind!

Respekt vor fachlichem Wissen und Können vergrößert einen transparenten Informationsfluss und reduziert falsche Entscheidungen. Davon gehen zwei Handlungsstränge ab. Die Führungskraft tut gut daran, sich des Wissens und Könnens vor Ort zu bedienen. Auf der anderen Seite liegt es in der Verantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wichtige Fakten und relevante Beobachtungen nicht unerwähnt zu lassen. Überspitzt formuliert lautet die Regel: „Es besteht die Pflicht, der Chefin oder dem Chef zu widersprechen, falls erforderlich.“

Methode 18 HRO 5 Respekt vor fachlichem Wissen und Können I

Das Prinzip „Respekt vor fachlichem Wissen und Können“ lässt sich besonders gut umsetzen, wenn ein agiles Führungsverständnis vorherrscht. Auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mehr Verantwortung und mehr Entscheidungsbefugnis übertragen, um wichtige Informationsquellen anzuzapfen, gute Entscheidungen zu treffen und anstehende Aufgaben effektiv zu lösen. Eine Führungskraft darf nicht mehr allein bestimmend auftreten, sondern muss zunehmend auch beratend zur Seite stehen. Aus einem Commander wird ein Coach.

Nicht nur mit einer signifikanten Produktivitätssteigerung > 20 % ist zu rechnen, sondern durch eine bessere Mitarbeiterbindung und -förderung wird ein weiterer positiver Effekt ausgelöst.

Prüfen Sie den Status Quo und gehen Sie den nächsten Schritt!

Der nächste Beitrag in der Reihe „Methoden sind Türen zum Erfolg“ handelt von Ansätzen zur Verbesserung der Organisationskultur nach Edgar Schein.